Text und Foto: Thorsten Krebs
In Zeiten wie diesen, in denen Politik verstärkt in mehr oder weniger sozialen Medien wie Instagram, Twitter und Facebook stattfindet und oft mehr übereinander als wirklich miteinander gesprochen wird, ist es besonders wichtig, das persönliche Gespräch zu suchen und sich Zeit für einen direkten vertieften Austausch von Meinungen und Argumenten zu nehmen. Dies tat Bürgermeister Dr. Wolfgang Hell bereits zum wiederholten Male, als er vor den Pfingstferien mit den Schülerinnen und Schülern des Begabungskurses „Politik aktuell“ über seinen Arbeitsalltag, die Aufgaben eines Stadtoberhaupts, konkret anstehende Projekte in Marktoberdorf und über die Bedeutung von politischem Engagement und ehrenamtlicher Partizipation sprach.
Die fast zweistündige Diskussionsrunde im Sitzungssaal des Rathauses war geprägt von Neugierde und einem sehr offenen Austausch auf Augenhöhe: So wollten die politikinteressierten Schülerinnen und Schüler des Begabungskurses beispielsweise vom Bürgermeister wissen, wie es um Zukunftsthemen wie den öffentlichen Nahverkehr, die Klimaschutzanstrengungen der Stadt sowie um den städtischen Haushalt bestellt ist, welche konkreten Bauprojekte Marktoberdorf in den kommenden Jahren angeht und was das für finanzielle Auswirkungen haben wird. Dr. Hell hatte auf alle Fragen plausible, mit Zahlen untermauerte, mitunter freilich auch ernüchternde Antworten: Im Bereich des Klimaschutzes beispielsweise habe die Stadt in den letzten Jahren einiges auf den Weg gebracht, etwa in Form einer neuen Klärschlammfaulung, die als Biomassekraftwerk einen Großteil des hohen Energiebedarfs der städtischen Kläranlage nun in regenerativer Form decke. An der Etablierung eines besseren ÖPNV-Systems arbeite man, so der Bürgermeister, allerdings mache dies nur landkreisweit Sinn, damit es auch angenommen werde. Natürlich müsse Politik die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für mehr Klimaschutz schaffen, aber gleichzeitig müssten die Bürger solche Angebote auch annehmen und nicht aus Bequemlichkeit – trotz aller verbalen Beteuerungen – im täglichen Verhalten dann beim Auto bleiben. In diesem Zusammenhang zeigte sich der Bürgermeister beeindruckt vom Engagement der Schüler im Rahmen der „Fridays for future“-Bewegung, mahnte aber auch an, dass angesichts von 800 "Elterntaxis" pro Tag im Marktoberdorfer Schulzentrum (Ergebnis einer offiziellen städtischen Verkehrszählung!) hier bei Eltern und Schülern ganz offensichtlich noch „Luft nach oben sei“. Denn eigentlich gebe es für ein so hohes Verkehrsaufkommen keinen Grund: Bis 3 km ist der Schulweg per Fahrrad oder zu Fuß zumutbar, ab 3 km greift bei jedem Schüler der Anspruch auf kostenlose Schülerbeförderung.
Die Finanzlage der Stadt hat sich zwar aufgrund verschiedener Einsparmaßnahmen in den letzten Jahren etwas konsolidiert, dennoch blickte der Bürgermeister teilweise sorgenvoll in die Zukunft. Denn große Bauprojekte wie der Neubau der Grundschule St. Martin, des Kindergartens in der Saliterstraße, verschiedene Brücken- und Kanalsanierungen und viele weitere Infrastrukturprojekte fordern die Stadt auch in den kommenden Jahren finanziell stark heraus.
Neben diesen konkreten kommunalpolitischen Themen ging es auch noch um den Arbeitsalltag eines Bürgermeisters. Hier waren die Schüler doch erstaunt, dass es unter einer 70-Stunden-Woche mit fast täglichen Abendterminen (auch am Wochenende), heutzutage bei einer Kreisstadt der Größe Marktoberdorfs nicht mehr geht. Der Zeit- und der Arbeitsaufwand seien tatsächlich enorm, so Dr. Hell, doch er sei auch verbunden mit dem sinnstiftenden Gefühl, dass man etwas gestalten kann und dass man einen Beitrag leistet für ein gutes Zusammenleben in unserer lebenswerten Stadt. Problematisch werde es allerdings, wenn bei aller berechtigten Kritik die Familie in Mitleidenschaft gezogen werde oder wenn es persönlich beleidigend werde. Dies sei in Marktoberdorf zum Glück nur äußerst selten der Fall, die jüngsten Beispiele von Bürgermeisterrücktritten in anderen Städten aufgrund von Bedrohungen und Einschüchterungen gäben aber zu denken und seien ein fatales Signal für die freiheitliche Demokratie. Deshalb sei es so wichtig, für eine respektvolle politische Kultur einzutreten, kompromissfähig und miteinander im Gespräch zu bleiben. Am besten direkt und persönlich – von Mensch zu Mensch.