Fotos: Andrea Kiechle und Claus Strunz
Auf dem Höhepunkt des Wahlkampfs, exakt zwei Wochen vor der Kommunalwahl, lud der Begabungskurs „Politik aktuell“ zu einer Podiumsdiskussion mit den vier Marktoberdorfer Bürgermeisterkandidaten, denen das Moderatorenteam Annika Doering und Tim Emmelheinz (beide Q 11) unterhaltsam und bestens vorbereitet auf den Zahn fühlte. Lesen Sie hier den Bericht des „Kreisboten“ über diese informative und abwechslungsreiche politische Diskussionsrunde und verschaffen Sie sich einen Eindruck von der lebendigen Atmosphäre der Veranstaltung in unserer Bildergalerie!
„Politik aktuell“ nennt sich der Kurs des Begabungsstützpunkts Marktoberdorf, der am vergangenen Sonntag alle Bürger der Stadt zu einer politischen Podiumsdiskussion in das Gymnasium Marktoberdorf einlud. Ziel des Treffens war es, den Bürgern von Marktoberdorf eine noch bessere Grundlage für ihre Wahlentscheidung am 15. März zu geben.
Unter der Leitung von Studiendirektor Thorsten Krebs hatte der Kurs für alle vier Bürgermeisterkandidaten eine politische Diskussionsrunde ersonnen, bei der nicht nur politische Themen der Stadt behandelt werden sollten, sondern es für die Kandidaten wie in einer Talkrunde immer wieder „spielerische Aufgaben und Fragestellungen“ geben sollte. Die Bewerber sollten so ihre Schlagfertigkeit beweisen und sich auch von ihrer persönlichen Seite zeigen können. Da durfte man spontan Sätze vervollständigen, seine Mitbewerber nach deren persönlichen Vorlieben einschätzen sowie auch ein wenig Privates von sich preisgeben. Das Ganze geriet äußerst unterhaltsam, und es gab viel zu lachen, ohne dass die politischen Fragen in den Hintergrund gedrängt wurden. Behandelt wurden Fragen des öffentlichen Personennahverkehrs und die verkehrspolitische Zukunft der Stadt, die Bebauungspolitik der öffentlichen Hand, sowie die Entwicklung der Innenstadt.
Die beiden Schüler-Moderatoren Annika Doering und Tim Emmelheinz waren nicht nur glänzend vorbereitet und in der Lage, die Diskussionen straff am Laufen zu halten, sondern konterten überraschend schlagfertig und witzig mit Gegenfragen, so dass eine gleichsam sachkundige und teils hoch amüsante Diskussion zustande kam. Im Verlauf der Gespräche entstand das Bild einer Bewerberrunde, die sich bei der bisherigen politischen Zusammenarbeit nicht nur gut kennengelernt hat, sondern nach eigenen Angaben aller auch gerne und konstruktiv zusammenarbeitet. Weitgehend einig war man sich darin, die Stadt für Radfahrer attraktiver zu machen und das Stadtbuskonzept wesentlich zu verbessern. Unterschiedlicher Ansicht war man, inwieweit man beim bestehenden Rufbussystem bleiben sollte, oder ein getaktetes Liniennetz brauchte. Stefan Elmer (SPD) erklärte ein Linienbussystem für unabdingbar, denn nur dieses entspreche dem Mobilitätsanspruch der Bevölkerung. Der amtierende Bürgermeister Dr. Wolfgang Hell (CSU) hielt dem entgegen, dass im Landkreis viele Linienbusse eingestellt worden seien, da sie meist leer gefahren seien, und brach eine Lanze für das bestehende Rufbussystem, das inzwischen eine sehr geringe Vorlaufzeit von 30 Minuten habe.
Doch grundsätzlich solle man durchaus die Verkehrssysteme anderer Gemeinden unter die Lupe nehmen und auf Marktoberdorfs Bedürfnisse hin überprüfen. Michael Eichinger (FW) sprang Elmer bei und unterstrich, Rufbusse seien nicht bedarfsgerecht. Bei der Gelegenheit informierte er die Versammelten, dass sich die Kosten für ein Linienbussystem auf bis zu 700.000 Euro belaufen könnten. Man könne das durchaus aufbringen, schaltete sich Jörg Schneider (Die Grünen) ein, wenn man sich dazu bekenne, dass es das wert sei, und plädierte wie Hell dafür, die Erfahrungen anderer Gemeinden in die Entscheidungen miteinzubeziehen.
Auf die Frage des Schülers Jonas Gingele, ob man das Autofahren unattraktiver machen müsse, um bei der Bevölkerung ein Umsteigen auf das Rad und den ÖPNV zu erreichen, wurden verschiedenste Maßnahmen diskutiert. Hell warnte davor, dass flächendeckende Parkgebühren den Einzelhandel in der Innenstadt weiter schwächen würden, und Eichinger gab zu bedenken, dass viele, die täglich aus beruflichen Gründen nach Marktoberdorf mit dem Auto pendeln müssten, nach wie vor kostenlose Parkmöglichkeiten haben sollten. Schneider betonte, dass sich das Einführen von mehr Tempo-30-Zonen erwiesenermaßen positiv auf die Statistik der tödlichen Fahrrad- und Fußgängerunfälle auswirke. Einen Teil der 30er-Zonen in sogenannte Fahrradzonen umzuwandeln, schien allen Kandidaten geeignet, das Radfahren in der Kommune attraktiver zu machen.
Weitgehende Uneinigkeit herrschte bei den Bewerbern, wie man neuen Wohnraum schaffen und das Explodieren der Mieten verhindern könnte. Hell sprach sich dagegen aus, alle maroden Stadtflächen an private Investoren zu vergeben. Elmer warb für eine kommunale Direktvermietung von drei bis fünf Prozent der Flächen, so könne man auch bestimmen, „was genau da hinkommt”.
Eichinger befürwortete das „Einheimischen-Modell”, bei dem bereits ansässige Bürger bei der Vergabe von Baugrund bevorzugt werden und forderte eine schnellere Ausweisung von mehr Baugrundflächen. Dagegen wandte sich Schneider, der keine „riesigen Baugebiete um die Stadt herum” möchte, sondern eine Nachverdichtung in den Ortsteilen bevorzugt, im Zuge derer auch der Leerstand im Zentrum verschwinden solle.
Keinen gemeinsamen Nenner fand man beim Umgang mit sanierungsbedürftigen Objekten wie dem Emmi-Fendt-Haus und dem Alten Gesundheitsamt, zumal die damit verbundenen Kosten völlig unüberschaubar seien. Für letzteres gebe es, so Hell, jedoch im März einen Workshop von Architekturstudenten der Universität Augsburg, bei dem mehrere Masterarbeiten entstehen sollten. Davon erwarte man sich neue Impulse und Konzepte.
Die letzte Fragerunde wurde vom Publikum angestoßen. Hier wurde der zukünftige Pflegenotstand durch den demographischen Wandel angesprochen, was von allen Kandidaten sehr ernst genommen wurde. Hell lobte die aktuelle Arbeit der beiden ansässigen Pflegeheime und verwies auf die Barrierefreiheit in allen Neubauten. Elmer und Eichinger sprachen sich dringend für den Bau weiterer stationärer Einrichtungen aus und wurden dabei von Schneider sekundiert, der sich seinerseits für die Planung generationenübergreifender Wohnprojekte und Senioren-WGs aussprach sowie für eine bessere Wertschätzung der Pflege im Allgemeinen.
Auf eine Zuschauerfrage nach einer Verbesserung der Integration von Flüchtlingen fanden die Bewerber hingegen keine konkreten Antworten. Einhellig aber betonten sie, die bestehende Situation sei untragbar. Die konzentrierte Unterbringung von Flüchtlingen im Norden Marktoberdorfs sei ein Missstand, verhindere die Integration und bewirke langfristig eine Ghettoisierung. „Noch gibt es kein Patentrezept”, sagte Hell und befürwortete eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge im Landkreis.
Am Schluss der Fragerunde bekamen alle Kandidaten von den Moderatoren ein Glas selbstgemachten Honig aus der schuleigenen Imkerei. Nach der Veranstaltung gab es von den Zuschauern einhelliges Lob für die beiden engagierten Moderatoren und alle Mitglieder des Workshops.
Kreisbote/Felix Gattinger