Im Schuljahr 2020/21 besuchten insgesamt 119 Schülerinnen und Schüler den Ethikunterricht, d. h. 15,6 Prozent aller SchülerInnen. Wie in den letzten Jahren waren die Gruppenstärken in der Oberstufe am größten; hier besuchten 20,1% den Ethikunterricht (37 SchülerInnen). Der Unterricht verteilte sich auf Frau Unger (5, 6), Herrn Breitruck (7, 12), Herrn Dr. Köck (8, 9, 11) und Herrn Dr. Wilde (10). Aus diesen vier Lehrkräften besteht gleichzeitig die Fachschaft Ethik.
Die Lehrkräfte des Fachs Ethik am Gymnasium Marktoberdorf
Fachschaftsleitung: Dr. Michael Köck
Fachschaftsmitglieder: Arne Böhler, Andreas Breitruck, Karin Forster, Jutta Unger
Das Fach Ethik: Was ist das?
Kurz gesagt, geht es in der Ethik um die Frage: „Was soll ich tun?“ (Immanuel Kant), also um das Handeln im (zunehmend nicht nur) menschlichen Miteinander, ohne sich dabei auf Aussagen der Religion zu stützen. Ethik als Wissenschaft und philosophische Teildisziplin untersucht die zu dieser Frage bestehenden Voraussetzungen, Begründungen und Begriffe. „Typische“ Fragestellungen sind dabei: „Was macht den Menschen aus?“; „Wie frei ist der Mensch?“; „Was ist Glück?“
Das Unterrichtsfach Ethik bereitet auf diese Art philosophischer Reflexion vor, integriert aber auch Erkenntnisse der Psychologie (z. B. bei der Beschäftigung mit den Herausforderungen des Heranwachsens) und Soziologie. Damit geht v. a. eine gewisse Handlungsorientierung einher: Die SchülerInnen sollen im Unterricht zu Erkenntnissen über sich und andere kommen, ihr eigenes Handeln überdenken und Handlungsalternativen trainieren. Auch die Beschäftigung mit den Antworten verschiedener Weltreligionen auf existenzielle Fragen findet bis zur 10. Klasse Berücksichtigung (Unterstufe: Christentum/Islam, Mittelstufe: Islam, Hinduismus, Buddhismus, Religionskritik).
Nach Art. 47 Abs. 1 BayEUG ist der Ethikunterricht Pflicht- und Vorrückungsfach für alle SchülerInnen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Dabei stellt der Ethikunterricht nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 1997 eine „uneingeschränkt wählbare Alternative zum Religionsunterricht“ dar, während die Auffassung, „den Ethikunterricht als inhaltlich und organisatorisch nicht gleichwertigen Ersatzunterricht zu betrachten“, „nicht verfassungskonform“ sei. Damit sind sowohl Religion, als auch Ethik „ordentliche Lehrfächer“, und ein Wechsel von einem Unterrichtsfach zum anderen ist (sogar in Bayern) ohne Angabe von Gründen möglich.
So beschreibt das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) das Fach Ethik:
„Der Ethikunterricht dient der Erziehung der Schüler zu werteinsichtigem Urteilen und Handeln“ (Art. 47 Abs. 2 BayEUG). Er unterstützt die jungen Menschen in ihrer Suche nach moralischer Orientierung in der Welt von heute, indem er ihnen Entwürfe und Theorien vorstellt, die aus einer langen Entwicklung philosophischen Denkens und wissenschaftlichen Forschens hervorgegangen sind. Die Jugendlichen vergleichen diese Modelle mit den von ihnen selbst entwickelten Vorstellungen und kommen so zu einem eigenen Bild von einem guten und gerechten Leben und von dem Menschen, der sie gerne wären.
Einsicht allein führt aber häufig noch nicht zu dem entsprechenden Handeln. So ist auch die Motivation zu werteinsichtigem Handeln zu stärken, z. B. durch Perspektivwechsel und insbesondere das Einfühlen in die Situation anderer. Schließlich werden die Schülerinnen und Schüler auch in der Lage sein müssen, die Handlung adäquat durchzuführen, die sie für sich als richtig erkannt haben. In ausgewählten Handlungsfeldern werden deshalb Übungsmöglichkeiten für werteinsichtiges Handeln geboten, wie z. B. in der Kommunikation und der Gewaltprävention. Dabei wird eine ausreichende Festigung neu erworbener Kompetenzen unabdingbare Voraussetzung dafür sein, dass diese dann den Schülerinnen und Schülern auch spontan in Alltagssituationen zur Verfügung stehen können.
Der Ethikunterricht orientiert sich in seiner grundlegenden Zielsetzung an den sittlichen Grundsätzen, wie sie in der Verfassung des Freistaates Bayern und im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland niedergelegt sind. Im Übrigen berücksichtigt er die Pluralität der Bekenntnisse und Weltanschauungen. […] So ist die Achtung der Würde des Menschen unverzichtbare Grundlage des Ethikunterrichts. Die Erziehung zu Toleranz, Selbstkontrolle und Achtung der Überzeugungen des Andersdenkenden sowie zur Übernahme von Verantwortung sind weitere Beispiele dieser Orientierung. […]
Indem die Schülerinnen und Schüler dazu angeleitet werden, sich selbst und ihre Mitmenschen bewusst wahrzunehmen, wird nicht nur die Entwicklung ihres Selbstbewusstseins und Selbstwertgefühls, sondern ebenso das Bewusstsein für den Eigenwert des Anderen und die Achtung gegenüber dessen Bedürfnissen und berechtigten Ansprüchen gefördert. Mit Blick auf die Inklusion spielt dabei auch der respektvolle Umgang mit Menschen mit Behinderung eine wichtige Rolle.
Der Ethikunterricht fördert aufmerksames Zuhören und ein offenes, konstruktives Gespräch. Die Schülerinnen und Schüler werden dazu angehalten, in ethischen und moralischen Fragen schlüssig und nachvollziehbar zu argumentieren, ihre Argumente zu belegen und die Argumentation anderer einer rationalen Überprüfung zu unterziehen. Den Schülerinnen und Schülern soll Gewaltlosigkeit als unverzichtbares Prinzip für die Bewältigung von Meinungsverschiedenheiten und von Konflikten vermittelt werden und sie sollen befähigt werden, mit Herausforderungen, die sich ihnen in diesem Zusammenhang stellen, entsprechend umzugehen.
Gemeinsames Lernen von Schülerinnen und Schülern, die aus verschiedenen Kulturkreisen stammen, soll dem Einzelnen die Chance eröffnen, seine eigenen kulturellen Wurzeln zu erkennen und unter Achtung der Überzeugung der Anderen Verantwortung für das Zusammenleben der Menschen zu übernehmen. Die Schülerinnen und Schüler erwerben deshalb auch Kenntnisse über wichtige Wertvorstellungen in verschiedenen Kulturen sowie der sie prägenden Religionen. Damit wird eine wesentliche Grundlage für ein von Wertschätzung und Toleranz geprägtes Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Glaubensvorstellungen gelegt.
Ethische Fragen, die sich z. B. aus dem Verhältnis des Menschen zur Natur, aus der Wirtschafts- und Arbeitswelt und neuen Entwicklungen in der Medizin und den Medien ergeben, fordern ein reflektiertes Urteil auf der Basis gründlicher Information. Dies muss schon beim Heranwachsenden angebahnt werden. Der Ethikunterricht leistet hier einen wesentlichen Beitrag, indem er ein Bewusstsein für Zusammenhänge zwischen eigenem Handeln und Problemen der modernen Welt schafft und die Schülerinnen und Schüler in der Entwicklung ihrer Fähigkeit unterstützt, Möglichkeiten zur Problembewältigung zu finden.
Die Suche der Schülerinnen und Schüler nach Sinn, passenden Entwürfen für ein glückliches und selbstbestimmtes Leben und einem stimmigen Welt- und Menschenbild unterstützt der Ethikunterricht, indem er ihnen die Auseinandersetzung mit vielfältigen Vorstellungen und den lebendigen Austausch mit anderen ermöglicht.
Kernkompetenzen im Fach Ethik
Erkennen und verstehen
umfasst die kognitiven Kompetenzen, die die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzen, ethisch bedeutsame Dinge, Sachverhalte und Herausforderungen im Leben und Zusammenleben gedanklich zu durchdringen oder sich vergegenwärtigen zu können.
Überlegen und urteilen beinhaltet alle geistigen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die es der Schülerin und dem Schüler ermöglichen, sich Problemen eigenständig reflektierend, wertend und urteilend zu stellen und konstruktive Lösungswege aufzuzeigen. Konfrontiert mit vielfältigen, auch gegensätzlichen Ansichten, Ideen und Lebensbildern sollen die Schülerinnen und Schüler verschiedenartige Entscheidungsmöglichkeiten herausfinden, gegeneinander abwägen und versuchen, sich begründete, eigenständige Meinungen zu bilden.
Einfühlen und Anteil nehmen umfasst die verschiedenen Fähigkeiten der Schülerin und des Schülers, seinen Mitmenschen mit seinen Bedürfnissen bewusst wahrnehmen und darauf angemessen reagieren zu können. In diesem Zusammenhang spielt die Einübung in den Perspektivenwechsel eine wichtige Rolle. Die Schülerinnen und Schüler sollen nicht nur die eigene Position bezüglich eines Themas formulieren können, sondern sich auch die emotionalen Konsequenzen für eine fremde handelnde Person vorstellen und sie ausdrücken können.
Ethisch handeln und kommunizieren
beinhaltet Kompetenzen, welche die Schülerinnen und Schüler befähigen, konkrete ethische Herausforderungen in Wort und Tat verantwortlich bewältigen zu können.
Gegenstandsbereiche im Fach Ethik
Menschsein
artikuliert sich insbesondere in der Beschäftigung der Schülerin und des Schülers mit seinen Fähigkeiten, Wünschen und Gedanken und den verschiedenen Möglichkeiten, sein Leben zu führen und selbst zu gestalten.
Zusammenleben
bildet im den Rahmen zur Entwicklung vielfältiger Sozialkompetenzen. Das Kennenlernen von Werten verschiedener Kulturen sowie der sie prägenden Religionen legt eine wesentliche Grundlage für ein von Wertschätzung und Toleranz geprägtes Miteinander.
Religion und Kultur
entwickelt ethische Kompetenzen in der Auseinandersetzung mit den Wertvorstellungen verschiedener Kulturen und der sie prägenden Religionen und befähigt dazu, das eigene Welt- und Menschenbild zu erweitern, zu überprüfen und zu festigen.
Die moderne Welt
trägt dem Umstand Rechnung, dass mit den technischen Errungenschaften, welche die menschliche Zivilisation seit mehr als 150 Jahren in immer neuer Form prägen, neuartige ethische Herausforderungen entstanden sind.
Lernbereiche des Fachlehrplans Ethik
Von den Gegenstandsbereichen des Kompetenzmodells leiten sich im Fachlehrplan des Gymnasiums die einzelnen Lernbereiche ab. Die Lernbereiche beziehen sich auf die schulische und außerschulische Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler.
Nützliche Informationen
Der Wechsel vom Religions- zum Ethikunterricht und umgekehrt wird in der Regel am Ende eines Schuljahrs für das folgende Schuljahr schriftlich (und mit Unterschrift der Eltern, aber ohne Angabe von Gründen) beantragt. Entsprechende Formulare sind im Sekretariat I zu finden. Erfolgt der Wechsel im laufenden Schuljahr, ist zusätzlich eine Begründung anzugeben und eine Ersatzprüfung über den bisher behandelten Stoff abzulegen.
Wird erst mit der Oberstufe zum Ethikunterricht gewechselt, muss in den ersten Schulmonaten der Q11 eine Feststellungsprüfung über den Stoff der 10. Klasse abgelegt werden, sofern man Ethik als Abiturfach (schriftlich, Kolloquium) wählen möchte. Diese Prüfung erfolgt in mündlicher Form und dauert 30 Minuten, die Vorbereitung lässt sich gut mit dem Buch der 10. Klasse erledigen.
W-Seminar im Fach Ethik zum Thema "Utopien"
Ein Novum stellt das 2019/21 durchgeführte W-Seminar zum Thema „Utopien“ dar. In diesem Seminar mit acht Teilnehmern ging es zunächst um die Erarbeitung einer soliden Textbasis: Originaltexte von Platon, Morus, Campanella, Rabelais, Mercier wurden gemeinsam erarbeitet und diskutiert.
"Klassische" Utopien von Platon, Morus, Campanelle, Rabelais und Mercier
Dabei fielen Parallelen und zeitbedingte Unterschiede bei den Vorstellungen von einer „idealen Welt“ ins Auge: Zum Beispiel scheint in den klassischen Utopien ein starker Drang nach Hierarchie und Ordnung vorzuherrschen, inklusive Einflussnahme auf das Fortpflanzungsverhalten der Bürger bis hin zu eugenischen Maßnahmen. Die freudig selbst gewählte Dauerkontrolle und Überwachung garantiert in diesen Entwürfen denn auch Konstanz und Harmonie der Gemeinwesen. Ebenfalls verbreitet in den klassischen Werken ist eine wenig rücksichtsvolle Haltung gegenüber anderen Völkern: Sind diese weniger „weit“ entwickelt, bietet sich schließlich eine Kolonisierung geradezu an – mit dem oder notfalls gegen den Willen der beglückten Ureinwohner.
Kritik an bestehenden Verhältnissen
Immerhin spielt der Bildungsgedanke eine zentrale Rolle: So findet bei Campanella der Nachwuchs alles Wissen auf konzentrisch angeordneten Stadtmauern, sprich öffentlich zugänglich. Was alle Vorstellungen eint, ist eine klare Abneigung gegen Eigentum, das die Wurzel allen Übels darstelle. Gemeinsam ist den klassischen Entwürfen aber vor allem, dass sie keine „Rezepte“ für die Verwirklichung von „echten“ Staaten darstellen, sondern in erster Linie Kritik an bestehenden Verhältnissen äußern.
Anarchie und Vernunft: Rabelais´ und Merciers Konstrukte des idealen Staates
Interessant gestalten sich auch die abweichenden Ideen von Rabelais, in dessen Abtei Theléme eher anarchisches Treiben herrscht, getreu dem Motto: „Tu, was du willst“ – allerdings gibt auch hier die Harmonie den Ton an, die Anti-Mönche und –nonnen sind selbstredend tugendhaft. Bei Mercier schließlich ist der ideale Staat ein Abbild der Aufklärung, vernunftgeleitet (Rechtsverkehr!) statt den Launen eines tyrannischen Alleinherrschers unterworfen.
Mit dem Frühsozialismus kommt dann zunehmend der Gedanke ins Spiel, die ideale Gesellschaft auch konkret umsetzen zu wollen, und so lautet auch das schlimmste Schimpfwort für solch einen Denker: „Utopist!“.
Schulung studienrelevanter Kernkompetenzen im W-Seminar Ethik
Das Seminar demonstrierte jedenfalls, dass auch im Fach Ethik W-Seminare ihren Platz haben können und sollen, da von genauer Textanalyse über das Exzerpieren und Deuten von Schlüsselbegriffen bis hin zum Herausarbeiten von Theorien zu Parallelen und Unterschieden viele für das Studium relevante Kernkompetenzen gefestigt werden. Darüber hinaus: Sowohl Lektüre als auch Diskussion haben einfach auch viel Spaß gemacht.
Spielen, leben, lernen - mit diesem Thema beschäftigten sich die Schüler*innen der Jahrgangsstufe 5 im Fach Ethik. Wozu muss man Regeln aufstellen und einhalten? Dass man im Spiel nicht nur Gemeinschaft erleben kann, sondern auch Gelassenheit, Geschicklichkeit und Kreativität fördert, erprobten die Kinder in selbst erfundenen Brettspielen. Hier einige Impressionen dieses interessanten Unterrichtsprojekts der 5. Klassen.