Während es für den Literaturunterricht in der Ober- bzw. Kollegstufe einfach „dazugehört“, den einen oder anderen Klassiker der deutschen Bühnenliteratur im Theater zu erleben, ist es gar nicht so leicht, thematisch und dramaturgisch ansprechende Stücke für die jüngeren Jahrgänge zu finden, die man im Unterricht lesen und anschließend im Theater anschauen kann. Um auch den Schülern der unteren Mittelstufe ein „Live-Theatererlebnis“ zu ermöglichen, besuchten die Siebt- und Achtklässler mit ihren Deutschlehrern am 20. Mai 2009 eine Aufführung des Landestheaters Schwaben, das Rainer Lewandowskis historisches Jugendstück „Katharina und Till“ im MODEON auf die Bühne brachte.
Der historische Hintergrund dieses Dramas ist die Frühphase der Reformation im 16. Jahrhundert, als im Allgäu mutige Männer wie Sebastian Lotzer und Pfarrer Christoph Schappeler mit ihren zwölf „Memminger Artikeln“ gegen die Obrigkeit aufbegehrten. Das Stück selbst greift die sozialkritische Thematik anhand der fiktiven jungen Liebenden
Boris Popovic u. André Stuchlik
Katharina (gespielt von Undine Schmiedl) und Till (Boris Popovic) auf, die, aus unterschiedlichen sozialen Schichten stammend, zunächst völlig den herrschenden Machtstrukturen des Mittelalters ausgeliefert sind. Gewissermaßen als „Romeo und Julia des Bauernkrieges“ (R. Lewandowski) erleben sie die Willkürherrschaft und die sozialen Ungerechtigkeiten und Einschränkungen der damaligen Zeit, etwa wenn der herrschende Vogt kraft seines Amtes ihnen die Heirat verbietet. Der Vogt repräsentiert die Seite der Unterdrücker und der Obrigkeit, während der Memminger Pfarrer Christoph Schappeler und Tills Vater, der Kürschnermeister Sebastian Lotzer (beide gespielt von André Stuchlik) mit dem Mut der Verzweiflung versuchen, diese „Not zu wenden“.
In der Inszenierung von Peter Kesten wird, ganz im Sinne der Vorlage von Rainer Lewandowski, versucht, die darstellerischen Besonderheiten des Theaters zu nutzen, um dem jungen Publikum zu die illusionären Möglichkeiten der Bühne zu demonstrieren und zu zeigen, dass „gespielt“ wird, dass also eine Nachahmung von möglicher Realität stattfindet, nicht eben die Wirklichkeit selbst. Diese „Meta-Realität“ entsteht durch verschiedene Durchbrechungen der Illusion, indem beispielsweise einige Darsteller mehrere Rollen spielen, aus ihren Figuren heraustreten oder die bühnentechnischen Notwendigkeiten (Lichtwechsel, Szenenwechsel usw.) während des Stückes bewusst zur Sprache bringen. Einerseits kann man anhand dieses Stücks bzw. dieser Inszenierung Grundbegriffe des (modernen) Theaters sehr gut erarbeiten und aufzeigen, andererseits ist dieses „epische Theater light“ vielleicht etwas zu gut gemeint, denn bisweilen erschien es gar zu „gewollt“ und wirkte in seinem über-deutlichen „Winken mit dem Zaunpfahl“ eher belustigend denn kritisch-distanzierend. Dennoch konnten die Schüler einen anschaulichen und lebendigen Eindruck von den beklemmenden Lebensverhältnissen im ausgehenden Mittelalter bekommen, sodass das „Katharina und Till“ auch als Veranschaulichung des Geschichtsunterrichts seinen Zweck erfüllte.
Thorsten Krebs