„Es gibt Neonazis im Anzug. Es gibt Neonazis mit Jutebeuteln. Es gibt Neonazis mit Hipster-Brille. Es gibt Neonazis im Ärztekittel.“ Das Klischee von Springerstiefeln und Skinheads ist nicht mehr zeitgemäß: Die rechte Szene bedient sich schon längst einer gesellschaftlich akzeptierten, bürgerlichen Maske, hinter der sie versteckt für ihre Sache wirbt.
Rechtsrockkonzerte und militaristische Ferienlager hinter der bürgerlichen Fassade
Heidi Benneckensteins Autobiografie „Ein deutsches Mädchen“ erzählt, wie sie selbst in einer Neonazi-Familie bei München aufwächst, Ferienlager der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ und Rechtsrockkonzerte besucht, einen Journalisten verprügelt, gegen Migranten hetzt und der Szene schließlich den Rücken kehrt, als sie ein eigenes Kind erwartet.
Am 23.11.2021 war es drei neunten Klassen möglich, eine Bühnenfassung dieser Biografie – erarbeitet vom Landestheater Schwaben – im Arthur-Groß-Saal mitzuerleben, nachdem die für das Modeon angedachte Veranstaltung coronabedingt abgesagt werden musste. Besonderer Dank gilt an dieser Stelle der Schulleitung und dem Team vom Landestheater, die die Vorstellung am Gymnasium organisatorisch ermöglicht haben.
Episodenhafte Kurzweil und eindringliche Schauspielkunst
Mit episodenhafter Kurzweil bei gleichzeitig eindringlicher Schauspielkunst konnten Denkweisen der rechten Szene, ihre Symbole, ihr öffentliches Auftreten und nicht zuletzt die Irrwege, auf denen Jugendliche in sie hineingeraten, auf eindrucksvolle Weise vermittelt werden. Am Ende des Stücks stand trotz aller Szenen, die beunruhigten und erschreckten, eine Botschaft, die hoffen lässt: „Und es gibt Neonazis, die aufhören, Neonazis zu sein.“
Michael Pöschmann