Im Gegensatz zum echten Frühling bricht das Frühjahrskonzert des Gymnasiums Marktoberdorf seit Jahrzehnten pünktlich zum angekündigten Termin aus, diesmal einen Tag vor Christi Himmelfahrt. Wie immer wirken Hunderte mit und bieten ein abwechslungsreiches Programm. Alles wie immer…? Keinesfalls, sondern immer wieder neu – ganz wie der echte Frühling.
Der erste Teil des Abends gehörte den Chören. Der Unterstufenchor begann passend mit Frühlingsliedern von Robert Schumann und Antonín Dvorák. Auswendig und gut verständlich singend folgte der Chor mit großer Aufmerksamkeit seinem Leiter Stefan Wolitz; Anna-Lena Goral, Hannah Streif und Manfred Eggensberger begleiteten ihn.
John Rutters „All Things Bright and Beautiful“ leitete zum Vokalensemble der Mittelstufe über. Es sang drei eher melancholische Stücke aus Rutters „The Sprig of Thyme“, gefolgt von Joni Jensens temperamentvollen und harmonisch abwechslungsreichen „Turning“. Jutta Pockrandt hatte dabei am Klavier eine reizvolle Aufgabe. Noch während des Beifalls für die sichere und bewegliche Wiedergabe zog der weit über 45-köpfige „Rest“ des Mittelstufenchores ein.
Wenn man zurück denkt, dann erstaunt es jedes Mal, wie prächtig dieses ehemalige Mauerblümchen unter der Leitung von Susanne Holm aufgeblüht ist. Der Chor brachte als Überraschung drei Titel von Michael Jackson mit. Deren Inhalt blieb wegen der amerikanischen Sprache eher verborgen, dafür erfreute der Chor durch seine Wandlungsfähigkeit vom rapartigen Sprechgesang bis zum melodischen Ausschwingen. „Africa“ von David Paich begann mit einem überzeugend imitierten Gewitter und endete mit reichem Beifall, der für den Auszug des ganzen Chores und für das nun antretende Vokalensemble der Oberstufe reichte.
Stefan Wolitz präsentierte mit ihm, einem Streichquartett (Stephan Dollansky, Veronika Pyzik, Ulrike Schipke, Susanne Holm) und Katja Röhrig am Klavier die komplexe und anspruchsvolle Komposition „Luminous Night of the Soul“ des zeitgenössischen norwegischen Komponisten Ola Gjeilo. Es beruht auf zwei mystischen bis hymnischen Texten des 16. Jahrhunderts, benutzt unterschiedliche Kompositionsmittel und verlangt Ausführenden und Zuhörern einiges ab. In einem Schulkonzert hätte man solch ein Werk kaum erwartet.
In der Pause staunte eine Besucherin aus Frankfurt am Main: „Etwas Vergleichbares gibt es bei uns überhaupt nicht!“ Notenschrank schlägt Notenbank!
Das Nachwuchsorchester (Ltg. Stephan Dollansky) zeigt sich jedes Jahr in einer anderen Zufallsbesetzung, blieb davon aber unbeeindruckt und wartete mit zwei hübschen Stückchen auf. Wohin die Entwicklung führen kann, zeigte das gleich starke StreicherKammerorchester mit einem Ausschnitt aus dem fünfstimmigen Concerto Armonico Nr. 1 von Ulico Willem Graf von Wassenaer. Es steht am Ende der Aera der Concerti grossi. Das einleitende Grave dient zum Aufwärmen, im Allegro geht es dann richtig zur Sache – immer mit spielerischer Eleganz.
ie folgende Bigband (Ltg. Susanne Holm) bot ein deutlich kompakteres Klangerlebnis. „Mercy, Mercy, Mercy“ von Joe Zawinul schlenderte entspannt dahin, das „Eye of the Tiger“ von Frank Sullivan gehörte einem aggressiven Tier, „Gonna Fly Now“ von Bill Conti fand eher mit einem Doppeldecker als einem Düsenjäger statt. „Final Countdown“ von Joe Tempest passte genau zum Namen des Komponisten und führte zu begeistertem Beifall.
Zum Schluss pressten Sinfonieorchester (Ltg. Stephan Dollansky) und Bigband sich auf der Vorbühne zusammen. Das ist akustisch nicht ganz ideal und verlangt im Zusammenspiel viel Aufmerksamkeit. „Smooth Criminal“ von Michael Jackson kam gar nicht sanft daher, sondern mit aufregend treibender Energie. Die bildhafte Filmmusik zu „Indiana Jones“ hat man zumindest teilweise im Ohr, das bei dieser Darbietung voll auf seine Kosten kam. Calvin Custer hat in „A Tribute to Henry Mancini“ einige von dessen bekanntesten Melodien zusammen gestellt. Das Orchester stürzte sich mit Hingabe in dieses Abenteuer und erntete dafür Beifall im Stehen, den es gerne mit den leitenden Musiklehrkräften teilte.
Wegen der Wiedereinführung der dreizehnten Klasse werden die kommenden Jahrgänge gleich zwei Frühjahrskonzerte hintereinander bestreiten können – für ihr Publikum ein doppelter Gewinn.
Wilhelm Propach in der "Allgäuer Zeitung" vom 13. Mai 2024
(Mit freundlicher Genehmigung der Allgäuer Zeitung)
Fotos: Hanns Krebs