Zum zweiten Mal nach 2016 hat sich die Schulfamilie – insgesamt rund 30 Schüler- und Elternvertreter, Lehrkräfte und Mitglieder der Schulleitung – im „Haus Allgäu“ in Wertach zu einer Klausurtagung getroffen, um die Schulentwicklung am Gymnasium Marktoberdorf weiter voranzutreiben. Unterstützt wurde sie dabei von Schulentwicklungsmoderatoren der MB-Dienststelle, die den Tag methodisch und organisatorisch vorbereitet und begleitet haben.
Themenschwerpunkt des diesjährigen Treffens war die Frage, wie das eigenverantwortliche Lernen der Schüler im Unterricht, aber auch bei der häuslichen Vor- und Nachbereitung gestärkt werden kann: Welche Kompetenzen müssen Kinder und Jugendliche erwerben, damit sie Schritt für Schritt mehr Verantwortung für ihr eigenes Lernen übernehmen können, um so zu selbständigen Persönlichkeiten heranzureifen?
Um Antworten auf diese pädagogische „Gretchenfrage“ zu finden, wurden im Vorfeld der Schulentwicklungsklausur Umfragen unter Schülern der 7.-10. Jahrgangsstufe, unter Eltern der 5. und 6. Klassen sowie im Lehrerkollegium durchgeführt: Wie unterstützen Eltern ihre Kinder beim eigenverantwortlichen Lernen? Wann Lernen Schüler selbstständig und wie können Lehrkräfte sie dabei unterstützen? Welche Bedingungen müssen aus Lehrersicht herrschen, damit Schüler Verantwortung für ihr Lernen übernehmen?
Die Ergebnisse dieser Befragungen bildeten – ebenso wie die Zielvereinbarungen der internen und externen Evaluation – die Grundlage für die Entwicklung eines Aktionsplans, der Maßnahmen und Methoden umfassen soll, mit denen die Selbständigkeit der Schülerinnen und Schüler, beginnend mit den Jahrgangsstufen 5-7, gefördert werden kann.
Dazu wurden aus den Anregungen, Wünschen und Kritikpunkten der Umfragen zunächst in gemischten Teams aus Schülern, Eltern und Lehrkräften Schlüsselkompetenzen herausgefiltert, die Schülerinnen und Schüler erwerben sollten, um sukzessive immer selbstständiger und effizienter lernen zu können. Sieben Basiskompetenzen erschienen den Mitgliedern der Schulfamilie hier besonders wichtig:
Die Herausforderung lag für die Tagungsteilnehmer nun darin, zentrale Methoden und Maßnahmen zu finden, mit denen sich diese Kompetenzen erwerben und einüben lassen. Manche der genannten Kompetenzen (etwa „den Sinn des Lernens erkennen“) sind dabei weitaus schwerer operationalisierbar, d.h. in konkrete Lernarrangements „übersetzbar“ als andere, konkrete Methoden wie etwa Lese- und Lerntechniken oder die Erstellung von Zeit- und Arbeitsplänen. Auch die Frage, ob einige der genannten Kompetenzen nicht eher anerzogene Einstellungen bzw. „Tugenden“ als trainierbare Kompetenzen sind, beschäftigte die Teilnehmer in lebhaften, aber immer konstruktiven Diskussionen.
Im zweiten Teil der Tagung entwickelten die Elternvertreter und die Schüler in getrennten Gruppen Vorschläge und Maßnahmen, mit denen sie zu einer Stärkung der Selbstständigkeit der Schüler beitragen können. Außerdem machten sie sich Gedanken, wie im nächsten Schuljahr der Aktionsplan möglichst breit und nachhaltig in der Schüler- und Elternschaft kommuniziert werden kann.
Die Lehrkräfte gingen daran, ein Methodencurriculum zu planen, das in den Jahrgangsstufen 5-7 ab dem kommenden Schuljahr umgesetzt werden soll. Dabei werden bestimmten Fächern und Jahrgangsstufen zentrale Methodentrainings zugeordnet, die von den Lehrkräften in allen Klassen verbindlich durchgeführt werden müssen. Auf diese Weise bildet sich bei den Schülern ein „Handwerkskasten“ an Schlüsselkompetenzen und Methoden, den sie künftig in allen Fächern für selbstständiges und effizientes Lernen nutzen sollen.
Ein paar Beispiele: In der 5. Klasse beginnen die Schüler im Fach Deutsch mit dem Erwerb der Schlüsselkompetenz „Texte richtig verstehen“ durch das Training effizienter und nachhaltiger Lesestrategien. In Geografie bzw. Mathematik trainieren sie die Auswertung von Karten und Diagrammen und lernen in Englisch und mit Unterstützung der Grundschullotsin, wie man sich gezielt und planvoll auf Schulaufgaben und Tests vorbereitet. Die Erstellung von Präsentationen sowie Techniken der Visualisierung und Bildbearbeitung stehen dann im Kunst- und Informatikunterricht der 6. Jgst. auf dem Programm, während beispielsweise in der 7. Klasse Recherchetechniken (digital und analog) sowie die Planung und Auswertung von Experimenten geübt werden. Dies sind nur einige Beispiele von insgesamt 12 Basismethoden, welche die Unterstufenschüler erlernen.
Nachdem in Wertach die Weichen für die nächsten Schritte der Schulentwicklung gestellt worden sind, beginnt nun die eigentliche Arbeit: In den kommenden Monaten gilt es, die konkrete Umsetzung der Methodentrainings in Absprache mit den Fachschaften und Fachlehrern in den einzelnen Jahrgangsstufen zu konzipieren, damit ab September 2018 alle Schüler der 5. – 7. Klassen ihre Methodenkompetenzen weiterentwickeln können.
Im Idealfall bringt dieses Methodencurriulum alle Beteiligten ein Stück weiter: die Schüler, weil sie Fertigkeiten und Techniken erlernen, die sie im Unterricht und bei den Hausaufgaben schnell und effizient nutzen können; die Lehrer, weil sie künftig in allen Fächern auf ein festes Repertoire an verlässlich eingeübten Methoden zurückgreifen können, und nicht zuletzt die Eltern, weil ihre Kinder an Selbständigkeit und damit an Selbstvertrauen und Zukunftsfestigkeit gewinnen.
Thorsten Krebs