Um 8.40 Uhr starteten acht Schülerinnen und Schüler zusammen mit Herrn Graml und Frau Breitruck mit dem Zug in Richtung Münchner Flughafen, der Flieger mit Zwischenstop in Istanbul hob um 15 Uhr ab. Eine gewisse Nervosität war trotz aller Vorfreude schon zu spüren: wie würden wohl die Gastfamilien sein - bislang war man ja nur über WhatsApp in Kontakt gewesen! Diese Bedenken erwiesen sich aber allesamt als völlig grundlos: trotz der späten Stunde unserer Ankunft in Tel Aviv wurden wir sehr herzlich von allen Gastfamilien direkt am Flughafen begrüßt - die Nervosität war damit auf einen Schlag verflogen.
Der erste Tag startete mit einer Kennenlernrunde und der Begrüßung durch die Schulleiterin, die uns alle in Israel herzlich willkommen hieß. Nach einer anschließenden Schulführung über die als Campus angelegte High School waren auch schon unsere deutschen Schülerinnen und Schüler gefordert: vor der gesamten zwölften Jahrgangsstufe durften sie ihre Präsentationen halten. Ziel war es, den Zuhörern sehr unterschiedliche Facetten Deutschlands zu zeigen, von der jüngeren Geschichte über gegenwärtige Politik hin zu Kunst, Literatur und Musik. Diese doch schwierige Aufgabe meisterten die deutschen Schülerinnen und Schüler sehr erfolgreich - und wurden im Anschluss daran noch von vielen israelischen Schülerinnen und Schüler umringt, die weitere Fragen stellten.
Am Nachmittag dieses ersten Tages stand ein sehr interessanter Programmpunkt für die deutschen Schülerinnen und Schüler an: ein Treffen mit Zsuzsi Schindler, einer 75-jährigen Bewohnerin des Kibbuzes Kfar Menachem. Zunächst führte sie uns durch ihren Ort und erzählte dabei die Geschichte des Kibbuzes und damit auch die Entstehungsgeschichte der Kibbuzim allgemein. Dann lud sie uns zu sich nach Hause und erzählte uns ihre eigene Lebensgeschichte. Geboren wurde sie 1947 in Budapest, ihre Eltern gehörten zu den Juden, die durch Raoul Wallenberg und seine falschen schwedischen Pässe gerettet worden waren. Nach der Niederschlagung des ungarischen Aufstandes 1956 durch die Sowjetunion floh die Familie nach Wien, wo Zsuzsi ihre Jugend verbrachte. 1967 begann sie damit, Hebräisch zu lernen und es wuchs in ihr der Wunsch, in einen Kibbuz zu ziehen. Ein Jahr später setzte sie diesen Wunsch in die Tat um, seitdem wohnt sie in Kfar Menachem. Frau Schindlers Lebensgeschichte steht exemplarisch für viele, die unter der Nazi-Diktatur und später den Sowjets gelitten hatten. Als Zeitzeugin schlägt sie nicht nur sachlich, sondern auch in ihrer Person und Biographie die Brücke zwischen unserer vergangenen deutschen Geschichte und der jüdisch-israelischen Gegenwart in Israel.
Am Vormittag des zweiten Tages besuchten wir die Holokaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Die amerikanische Führerin Judy führte unsere Gruppe sehr umsichtig durch das bedrückende Museum und Mahnmal. Die israelischen Schüler*innen begleiteten ihre jeweiligen Austauschpartner. Dass israelische und deutsche Schülerinnen und Schüler diesen Besuch in Yad Vashem gemeinsam machen durften, verstehen wir als einen Vertrauenserweis auch dem Gymnasium Marktoberdorf gegenüber.
Auch in den darauffolgenden Tagen wurde ein abwechslungsreiches und sehr interessantes Programm geboten: wir fuhren in ein Beduinendorf in der Wüste, badeten im Toten Meer und lernten die Städte Jaffa und Tel Aviv kennen. Und wir durften unsere israelischen SchülerInnen bei einem deutschen Abend bekochen (Knödel! Blaukraut!).
Die Beziehungen zwischen den deutschen und israelischen SchülerInnen entwickelte sich schon sehr bald so herzlich, dass sie für den letzten Abend sogar eine gemeinsame Rede vorbereitet hatten und der dann folgende Abschied so lange wie möglich hinausgezögert wurde - sie blieben noch weit über den offiziellen Teil hinaus alle zusammen.
Im Kontext unseres mittlerweile fast dreißigjährigen Austauschs darf auch dieser Austausch im Jahr 2022/23 als Erfolg gelten!
Judit Breitruck und Michael Graml